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werden, die den Bestimmungen der Friedensverträge entsprechen. Die früheren Verträge, die nach Art. 289, Abs. 1 u. 2 V.V. auf Verlangen und nach Belieben der betreffenden alliierten oder assoziierten Macht wieder in Kraft gesetzt sind, treten bereits in Wirksamkeit, sobald die Notifizierung an Deutschland bewirkt ist, ohne daß Deutschlands Wille dabei eine Rolle spielt. Es kann dabei die Frage auftauchen, ob die Alliierten nicht nur die Wieder-in-KraftSetzung von Verträgen verlangen können, sondern auch das Recht haben, nur Teile aus ihnen, nur einzelne Artikel nach ihrem Belieben Deutschland gegenüber als wieder in Kraft getreten zu notifizieren. Diese Frage kann von weitgehendster Bedeutung sein, wenn man daran denkt, daß die alliierten Mächte es dann völlig in ihrer Hand haben, nur die ihnen günstigen Teile eines Vertrages wieder in Kraft treten zu lassen, während die für Deutschland Vorteil bringenden oder für sie selbst weniger günstig seienden Teile aufgehoben sind und bleiben. Daß eine solche Möglichkeit jeglichen Maßstab des internationalen Rechts verliert, ist zu selbstverständlich, als daß es noch der Worte darüber bedarf. Frankreich hat einen einzelnen Artikel eines Vertrages, nämlich auf Grund des Art. 289 den Art. 11 der Zusatzkonvention vom 12. Oktober 1871 gegenüber Deutschland wieder in Kraft gesetzt215). Daß eine solche Regelung der vor dem Krieg geschlossenen Verträge, wie Art. 289 im Eingang sagt, getreu dem Geiste der allgemeinen Grundsätze" erfolgt ist, kann man nicht annehmen. Auch in Hinsicht auf die wirtschaftlichen und technischen Mehr - Parteien - Verträge führt der Versailler Vertrag grundsätzlich das vertragsvernichtende Prinzip durch, wenn auch nicht in so rigoroser Verfolgung, wie es bei den einzelstaatlichen Verträgen offensichtlich wird. Kollektivverträge wissenschaftlichen oder technischen Charakters sind außer Kraft getreten. Nur soweit ihre Wiedergeltung im Friedensvertrag einseitig diktiert und vorgeschrieben wird, gelangen sie wieder zur Anwendung. Solche wiederhergestellten Verträge sind im Art. 282 (siehe den im vorhergehenden bezeichneten Text dieses Artikels) einzeln genau registriert. Die hier genannten Verträge gelten so, wie sie vor dem Kriege abgeschlossen waren, jedoch unter Vorbehalt der im Versailler Vertrag enthaltenen Bestimmungen. Im Art. 283 werden die Post- und Telegraphenübereinkommen aufgezählt, welche die Alliierten nur bedingt wieder gelten lassen wollen, nämlich unter der Bedingung, daß Deutschland die in diesem Artikel enthaltenen Bestimmungen befolgt, und sich verpflichtet, seine BlankoEinwilligung zu Abschlüssen von Sonderabreden mit neuen Staaten nicht zu verweigern. Für das Funken-Telegraphen-Abkommen (Art. 285) ist ebenfalls die Wiedergeltung an die Bedingung geknüpft, daß Deutschland die von seiten der alliierten und assoziierten Mächte mitzuteilenden vorläufigen Bestimmungen befolgt. Die „Nordsee-Abkommen" (Art. 28) lassen die Alliierten nur unter der Modifikation gelten, daß ohne Rücksicht auf gegenteilige Bestimmungen des Abkommens Deutschland sich dem in Art. 272 festgesetzten

215) Siehe Reichsgesetzblatt 1920, S. 946.

Niemeyers Zeitschr. f. Intern. Recht. XXXII.

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Bestimmungen unterwirft. Die Abkommen zum Schutz des gewerblichen und literarischen Eigentums sollen wieder in Kraft gesetzt werden unter den durch den Versailler Vertrag hervorgerufenen Ausnahmen und Beschränkungen. In Art. 287 wird das Haager Zivilprozeßabkommen 216) vom 17. 7. 05 nur teilweise nach einseitigem Siegerdiktat wieder in Kraft gesetzt, insofern diese Wiederinkraftsetzung gegenüber Frankreich, Portugal und Rumänien 217) jetzt und fernerhin ohne Wirksamkeit bleibt. 218) Auf eine Eigenartigkeit muß hier hingewiesen werden, die sich auf den entsprechenden Artikel im Vertrag von Saint-Germain bezieht. Danach soll dieses Haager Uebereinkommen auch zwischen Oesterreich und den daran beteiligten alliierten und assoziierten Mächten gelten, trotzdem Oesterreich niemals dem Haager Abkommen angehört hat. Hat man hier anzunehmen, daß achtlos die Bestimmungen des Versailler Vertrages in den Vertrag von Saint-Germain übernommen sind, oder will die Siegerpartei hierdurch einseitig auch gegenüber den Neutralen bestimmen, daß Oesterreich fortan zu den Vertragsstaaten zu rechnen ist ?219) Und eine neue Art der Regelung der vor dem Krieg in Geltung gewesenen Verträge enthält der Art. 288: „Die Deutschland im Uebereinkommen vom 2. Dezember 1899 über die Samoa-Inseln gewährten besonderen Rechte und Vorrechte gelten als mit dem 4. August 1914 erloschen." Also nicht der Vertrag gilt als erloschen, sondern nur die Rechte Deutschlands aus diesem Vertrage. Mit deutlichen Worten wird hier ausgesprochen, daß, wenn es der Laune des Siegers paßt, der Kriegsausbruch die Verträge zum Erlöschen bringt. Daß die mit Rußland und Rumänien 1918 abgeschlossenen Friedensverträge durch den Artikel 292 aufgehoben wurden, ist schon bei der Betrachtung

216) van Hasselt, „Invloed van den wereldorloog 1914-1918 op de Haag'sche verdragen van internationaal privaatrecht van 1902 en 1905", Rechtsgeleerd Magazijn 1923, S. 47 ff.

217) Vgl. Schauer, Einwirkung des Friedensvertrages auf das Haager Zivilprozeɓabkommen mit besonderer Berücksichtigung des dabei für Deutschland in Betracht kommenden französischen Rechts". Auslandsrecht, Blätter für Industrie und Handel 1921, S. 37.

218 Nicht erwähnt unter den wieder in Kraft gesetzten Verträgen in den Artt. 282 ff. des Versailler Vertrages sind die folgenden Haager Abkommen über internationales Privat- und Zivilprozeßrecht:

a) Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung vom 12. Juni 1902;

b) Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bett vom 12. Juni 1902;

c) Abkommen betreffend den Geltungsbereich der Gesetze in Ansehung der Wirkungen der Ehe auf die Rechte und Pflichten der Ehegatten in ihren persönlichen Beziehungen und auf das Vermögen der Ehegatten vom 17. Juli 1905; d) Abkommen über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln vom 17. Juli 1905.

Zwischen Deutschland und Italien, Portugal und Rumänien (Art. 282) sind diese Konventionen also als erloschen zu betrachten.

219) van Hasselt, a. a, O., S. 84.

der Bestimmungen der Ostfriedensverträge des näheren erörtert worden, aber neben diesen Verträgen hat Deutschland anzuerkennen, daß alle vor wie während des Krieges bis zum Inkrafttreten des Versailler Vertrages geschlossenen Verträge mit Rußland, oder irgend einer Regierung, deren Gebiet früher einen Teil Rußlands bildete, sowie mit Rumänien aufgehoben sind und bleiben".

Wenn man den Versuch machen will, ein rechtliches Prinzip in der in diesen Artikeln sich wiederspiegelnden Praxis der Entente - Staaten zu erblicken, so muß man enttäuscht zu dem Schluß kommen, daß hier nach einem rechtlichen Prinzip umsonst gesucht wird. Es leuchtet allerdings de facto das Prinzip der Vertragsvernichtungstheorie aus allen diesen Bestimmungen durch, aber über diesem steht doch das beherrschende Prinzip einseitiger Willkür.

Notwendig ist es aber, die Stimme der rechtspolitischen Forderung auf Aenderung der Tendenz, wie sie in den Verträgen nach dem Waffenstillstande zum Ausdruck kommt, zu erheben. Im Sinne einer solchen Forderung wird man nicht besser tun können, als sich dem Reglement des Institut de droit international anzuschließen und auf ihm fußend weiter zu bauen, einem Reglement, das von dem erlesensten und bedeutendsten Gremium wissenschaftlicher Völkerrechtsvertreter in Christiania 1912 ausgearbeitet und angenommen war, von dessen Geist kein Hauch in den Friedensverträgen nach 1918 zu spüren ist und das doch zum Leben auch in der Staatenpraxis sich schließlich durchsetzen muß und durchsetzen wird, soll man nicht den Glauben an den Fortschritt der Menschheit verlieren. Wann dieses der Fall sein wird, ist unmöglich vorauszusagen. Die Idee der durch Krieg nichtzerstörbaren internationalen Rechtsgemeinschaft auf der Grundlage von Staatsverträgen ist von der Wissenschaft erkannt und sie wird nicht wieder verloren gehen; denn „die Richtigkeit und die Bedeutung einer ethischen Idee hängt nicht von dem Maße ihrer bereits erreichten Wirkung ab. Das Wesen der Idee besteht vielmehr gerade in ihrem Gegensatz zu dem hemmenden Gewicht der Wirklichkeit und der Weite des gesteckten Zieles. ... Daß die Idee des Völkerrechts in der Richtung auf die Sicherung der Friedensordnung (la paix par le droit) als Realität besteht, wächst und wirkt, ist nicht zu leugnen" (Niemeyer, Völkerrecht, S. 27). Wenn erst nicht mehr „Sonderinteressen des einzelnen Staates, sondern die Ideale des internationalen Friedens, der Freiheit und Gerechtigkeit als Leitsterne des Staatenlebens" gelten, muß eine Aenderung in der Auffassung der Staaten über den Einfluß des Krieges auf die Staatsverträge Platz greifen.

Haager Gerichts- und Schieds

gerichtssprüche.*)

Sprüche des ständigen internationalen Gerichtshofes.

[Statut und Reglement des Gerichtshofes s. Ztsch. XXX 200; avis consultatifs Nr. 1, 2, 3: Ztsch. XXX 347; avis consultatif Nr. 4: Ztsch. XXXI 163; arrêt Nr. 1 (Wimbledon-Fall): Ztsch. XXXI 283.]

I. Spruch des ständigen internationalen Gerichtshofes in der Frage der deutschen Ansiedler in Polen. 1) 2)

Der Rat des Völkerbundes hat, gemäß Art. 14 des Völkerbundstatuts am 3. Februar 1923 den Gerichtshof um ein Gutachten ersucht über gewisse Fragen, welche die deutschstämmigen Ansiedler und Pächter in den von Deutschland an Polen übergegangenen Gebieten betreffen.

Der Gerichtshof 3) hat darauf am 10. September 1923 folgende Antwort erteilt:

The Council of the League of Nations on February 3rd, 1923, adopted the following Resolution:

The Council of the League of Nations having been apprised of certain questions regarding the following facts:

(a) a number of colonists who were formerly German nationals, and who are now domiciled in Polish territory previously belonging to Germany, have acquired Polish nationality, particularly in virtue of Article 91 of the Treaty of Versailles. They are occupying their holdings under contracts (Rentengutsverträge) which although concluded with the German Colonization Commission prior to the Armistice of November 11th, 1918, did not receive an „Auflassung" before that date. The Polish Government regards itself as the legitimate owner of these holdings under Article 256 of the Treaty of Versailles, and considers itself entitled to cancel the above contracts. In con

*) Durch Entscheidung vom 23. Juli 1923 (abgedruckt: Publications de la Cour permanente de justice internationale, Série B, No. 5) hat der Gerichtshof das Ersuchen des Rates des Völkerbundes um Beantwortung der Frage der ostkarelischen Autonomie (Artt. 10, 11 des Dorpater Friedensvertrages zwischen Finnland und Rußland vom 14. Oktober 1920 [„constituent-ils des engagements d'ordre international obligeant la Russie vis-à-vis de la Finlande à l'exécution des dispositions y contenues 2"]) in ausführlicher Begründung zurückgewiesen. [Der OstkarelienFall wird als „avis consultatif Nr. 5 beziffert.] Herausgeber.

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1) Abgedruckt: Publications de la Cour permanente de justice internationale, Série B, No. 6. Leyden 1923, A. W. Sijthoff.

2) Die in der Angelegenheit von der deutschen Regierung vorgelegte Denkschrift ist hierunter (S. 171 ff.) abgedruckt. Herausgeber.

3). Präsident: Loder, Vizepräsident: Weiß, Richter: Lord Finlay, Nyholm, Moore, de Bustamante, Altamira, Oda, Anzilotti, Huber.

sequence, the Polish authorities have taken certain measures in regard to these colonists by which the latter will be expelled from the holdings which they occupy;

(b) the Polish authorities will not recognize leases conceded before November 11th, 1918, by the German Government to German nationals who have now become Polish subjects. These are leases over German State properties which have subsequently been transferred to the Polish State in virtue of the Treaty of Versailles, in particular of Article 256,

Requests the Permanent Court of International Justice to give an advisory opinion on the following questions:

(1) Do the points referred to in (a) and (b) above involve international obligations of the kind contemplated by the Treaty between the United States of America, the British Empire, France, Italy, Japan and Poland, signed at Versailles on June 28 th, 1919, and do these points come within the competence of the League of Nations as defined in that Treaty?

(2) Should the first question be answered in the affirmative, the Council requests the Court to give an advisory opinion on the question whether the position adopted by the Polish Government, and referred to in (a) and (b) above, is in conformity with its international obligations.

The Secretary-General is authorized to submit this request to the Court, together with all the relevant documents, to explain to the Court the action taken by the Council in this matter, to give all assistance necessary in the examination of the question, and, if required, to take steps to be represented before the Court.

On March 2nd, 1923, the Secretary-General of the League, by virtue of this Resolution, sent to the Permanent Court of International Justice the following request:

The Secretary-General of the League of Nations, in pursuance of the Resolution adopted by the Council on February 3rd, 1923, a certified copy of which is attached to this communication,

And in virtue of the authority conferred upon him by that Resolution, Has the honour to submit to the Permanent Court of International Justice an application from the Council requesting the Court in accordance with Article 14 of the Covenant, to give an advisory opinion on the questions which have been referred to it by the abovementioned Resolution of February 3rd, 1923.

The Secretary-General is also instructed by the Council to attach to this communication a note explaining the action taken by the Council in the matter, together with copies of such documents relative to the points under discussion as have at present been communicated to the Members of the Council.

In accordance with the aforesaid Resolution of the Council, the Secretary-General will be prepared to furnish any assistance which the Court may require in the examination of the question, and he will, if necessary, arrange to be represented before the Court.

By a letter of April 26th, 1923, the Secretary-General of the League of Nations informed the Court that the Council of the League had, on April 18th, decided to transmit to the Court a report which had been submitted to it on the subject of the interpretation of paragraph (b) of the Resolution of February 3rd, and that the Council had approved this report, which is as follows:

By a Resolution dated February 3rd, 1923, the Council decided to ask the Permanent Court of International Justice for an advisory opinion concerning certain points in regard to the German Minorities question in Poland.

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